UfU Informationen | Ausgabe 12 – Juli 2024 | Interview: Luisa Schneider & Dr. Christoph Herrler

Wie bewertet ihr das Urteil des EGMR?

Nachgefragt in unserem Rechtsbereich und Fachbereich für Klimawandel und Flucht

„Klimaschutz ist eine Menschenrechtsfrage und kann vor Gericht eingeklagt werden.“[1]  So oder so ähnlich wie in diesem Zitat von tagesschau.de lautete der Tenor in der Berichterstattung Anfang April 2024 anlässlich des Urteils des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) zugunsten der Schweizer Klimaseniorinnen. Auch wenn die mediale Aufmerksamkeit – wie leider häufig beim Klimaschutz – schnell weiterzog, wurde zumindest kurz in vielen Köpfen die Verbindung der Begriffe „Klimaschutz“, „Menschenrechte“ und „Gerichte“ geschaffen. Grund genug, diese Verbindungen einmal etwas genauer zu beleuchten. […]

Dafür haben wir mit den UfU-Mitarbeitenden Luisa Schneider und Christoph Herrler gesprochen. Luisa ist Juristin und hat in verschiedenen Bereichen zum Umweltrecht gearbeitet. Am UfU forscht sie unter anderem zur Entwicklung der Umweltverbandsklage in Deutschland und international. Christoph hat im Bereich der politischen Philosophie über ethische Begründungen von Klimaschutz promoviert und sich auch in weiteren Publikationen und Vorträgen mit dem Menschenrechtsansatz beschäftigt, etwa zu dessen Anwendung auf künftige Generationen oder im Pflege- und Gesundheitswesen.

Wie bewertet ihr das Urteil des EGMR?

Christoph: Also zunächst mal ist es sehr positiv, dass sich der EGMR überhaupt mit dem Thema beschäftigt hat. Dass Klimawandel als menschenrechtliches Problem dargestellt wird, kommt immer noch zu selten vor – zumindest in der breiten Öffentlichkeit. In klimaethischen und philosophischen Fachdebatten ist es nichts Neues, diese beiden Bereiche zu verbinden und mit Menschenrechten für intensiveren Klimaschutz zu argumentieren. Die Sprache der Menschenrechte eignet sich auch besonders gut dafür.

Luisa: Erstmal kann ich mich da Christoph anschließen. Es ist toll, dass der Gerichtshof ein positives Urteil gefällt hat und sich nicht nur zur Zulässigkeit der anhängigen Klage, sondern  auch zur Begründung umfänglich geäußert hat. Dadurch wurden juristisch die im Angesicht der Klimakrise bestehende Schutzverpflichtung von Staaten, die sich aus menschenrechtlichen Garantien ergeben, entscheidend gestärkt und konkretisiert. Wir sollten jedoch nicht vergessen, dass die jetzt erfolgreiche Klage des Schweizer Vereins der Klimaseniorinnen nicht die einzige Klage zu der Verbindung von Klimawandel und Menschenrechten vor dem EGMR war und ist. Es ist vielmehr so, dass der Gerichtshof jetzt in eine Phase eingestiegen ist, in welcher er weiter ausdefiniert, welche Arten von Fällen in seine Prüfungskompetenz fallen, und für welche er nicht zuständig ist.

Christoph, kannst du bitte erklären, warum sich die Sprache der Menschenrechte aus deiner Sicht besonders gut dafür eignet, für intensiveren Klimaschutz zu argumentieren?

Christoph: Der Slogan „Menschen sind nicht gleich, aber ihre Rechte“ bringt das ganz gut zum Ausdruck. Die Menschenrechte gelten für alle gleich, es gibt also keine besonderen Privilegien von bestimmten Gruppen aufgrund irgendwelcher Merkmale wie zum Beispiel Geschlecht, Reichtum oder Geburtsort. Um die Behandlung als Gleiche sicherzustellen, gibt es ja auch das Diskriminierungsverbot als menschenrechtliches Prinzip. Aber natürlich haben Menschen unterschiedliche Eigenschaften und Bedarfe, sind also unterschiedlich vulnerabel – auch was den Klimawandel angeht. Menschenrechte können ausdrücken, dass auf die Auswirkungen des Klimawandels, die vulnerable Gruppen stärker betreffen, mit unterschiedlich hohen Anstrengungen reagiert werden muss, um Menschenrechte zu schützen. Denn auch die vulnerabelsten Gruppen haben den gleichen rechtlichen Anspruch darauf, sind also moralisch gleich viel wert. Eine ökonomische Begründung mit einem Kosten-Nutzen-Ansatz könnte dies hingegen unterminieren oder nicht ausreichend berücksichtigen.

Kannst Du dafür bitte ein Beispiel nennen?

Christoph: Grundsätzlich haben alle Menschen das gleiche Recht auf Gesundheit. Sie sind allerdings durch Hitze, die der Klimawandel ja tendenziell extremer macht, unterschiedlich stark gefährdet. Ältere Menschen etwa schon aufgrund dessen, dass sie weniger schwitzen und ihr Durstgefühl nachlässt. Bestimmt findet jede*r schon im eigenen Freundes- und Bekanntenkreis Beispiele dafür, dass das Empfinden und Aushalten von Hitze individuell verschieden ausgeprägt sind. Hier kann die Sprache der Menschenrechte einerseits zeigen, dass Menschen sich bei Grundbedürfnissen stark ähneln – etwa, weil jede*r wohl möglichst gesund sein möchte – und so eine Basis für Empathie und Solidarität schaffen. Andererseits kann sie aber auch deutlich machen, dass es einen unterschiedlich hohen Aufwand bedeuten kann, damit dieser Anspruch bei allen verwirklicht werden kann: Ältere Menschen benötigen im Hitzebeispiel tendenziell eine andere Art von Support, u.a. durch entsprechende Gesundheits- oder Baupolitik, als jüngere. Das ist ganz im Sinne der Nicht-Diskriminierung – auf Englisch lässt sich das etwas besser ausdrücken: Es geht um die Behandlung als Gleiche (treating people as equals) und nicht um die exakt gleiche Behandlung (treating people in the same way) was Ressourcen angeht. Die Klimaseniorinnen haben u.a. mit ihrer Zugehörigkeit zur vulnerablen Gruppe der Älteren für ihre besondere Betroffenheit argumentiert. Sie beziehen sich allerdings nicht auf das Recht auf Gesundheit, sondern nehmen den Hitzetod und somit ihr Recht auf Leben in den Fokus. Mit der Argumentation waren sie allerdings vor dem EGMR erfolglos – und das konnte ich, wie auch dessen Begründung, die sich auf andere Menschenrechte bezieht, nicht so ganz nachvollziehen.

Wie siehst du das, Luisa?

Luisa: Das stimmt, diese Argumentation ist auf den ersten Blick etwas verwirrend. Es steht leider auch eine relativ komplexe juristische Argumentation dahinter. Verkürzt könnte man sagen, dass sich der EGMR mit dem Recht auf Leben aus Art. 2 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) nicht in der Tiefe beschäftigt hat, da er eine Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 EMRK ohnehin schon als gegeben annimmt. Für eine Verletzung des Rechts auf Leben hat der Gerichtshof wohl angenommen, dass die Situation in der Schweiz einfach noch nicht gravierend genug ist, sodass man von einer tatsächlichen Lebensgefahr ausgehen kann. Da liegt die Schwelle höher als beim Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens. Für das weitere Urteil und die Erörterungen zu den konkreten Schutzpflichten der Schweiz gegenüber älteren Frauen im Angesicht der Klimakrise ist es dann nicht mehr entscheidend, ob es nur um Art. 8 geht oder zusätzlich auch um Art. 2. In der Begründung benutzt der Gerichtshof dann aber viele Argumente für eine Weiterentwicklung der Rechte aus Art. 8 EMRK, die er in früherer Rechtsprechung zum Recht auf Leben aus Art. 2 EMRK entwickelt hat. Im Kern argumentiert er dann, dass die Schweiz eine Schutzpflicht mit Blick auf die Klimakrise hat und daher bestimmte Minimalanforderungen an staatliche Klimaschutzmaßnahmen gewährleisten muss.

Stützt sich das Urteil noch auf andere Rechte aus der EMRK?

Luisa: Ja, über eine Verletzung von Art. 8 EMRK hinaus wird der Verein KlimaSeniorinnen auch in seinem Recht auf ein faires Verfahren nach Art. 6 verletzt. Das liegt daran, dass sich der Verein erfolglos durch den Schweizer Instanzenzug geklagt hat, wobei die nationalen Gerichte aber die Schutzpflicht der Schweiz nicht anerkannt haben. Sie hätten anerkennen müssen, dass die negativen Auswirkungen der Klimakrise, die sich auf die Gesundheit und das Wohlbefinden der Mitglieder der KlimaSeniorinnen auswirken, die Schweiz dazu verpflichten, entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen.

Am UfU arbeiten wir viel zu Prozessrecht, also etwa zur Umweltverbandsklage. Siehst du da Verbindungen zum Urteil des EGMR?

Luisa: Auf jeden Fall, und da kommen wir auch zu einem weiteren wichtigen und auch wirklich neuartigen Punkt in dem Urteil. Denn der EGMR hat die Klagen der vier einzelnen Mitglieder des Vereins KlimaSeniorinnen abgelehnt, da ihnen die sogenannte Opfereigenschaft (victim status) fehlte. Die Klage des Vereins selbst hat er aber anerkannt. Für Individualkläger*innen hat der Gerichtshof neu entwickelt, wann diese Opfereigenschaft im Rahmen von Art. 8 EMRK im Angesicht der Klimakrise erfüllt ist und somit staatliche Schutzpflichten ausgelöst werden können. Die Kläger*innen müssen demzufolge den nachteiligen Auswirkungen des Klimawandels mit hoher Intensität ausgesetzt sein und es muss ein dringendes Bedürfnis geben, ihren individuellen Schutz zu gewährleisten. Durch diese hohe Zugangsschwelle sollen sogenannte Popularklagen ausgeschlossen werden. Das Gericht nimmt also nur bei besonders schweren Ausnahmefällen die individuelle Opfereigenschaft an. Diese sehr hohe Zugangsschwelle konnte keine der Klägerinnen überwinden. Der Gerichtshof erkannte zwar an, dass die Lebensqualität der Klägerinnen durch Hitzewellen in der Schweiz beeinträchtigt wurde, jedoch nicht in einem für die Opfereigenschaft notwendigen hohem Maße.

Okay, aber die Klage des Vereins KlimaSeniorinnen war erfolgreich. Warum?

Luisa: Hier hat der EGMR eine Art Verbandsklagerecht für Menschenrechte im Kontext des Klimawandels geschaffen. Das ist für uns natürlich besonders bemerkenswert, da wir uns in unserer täglichen Arbeit mit Umweltverbandsklagen hier in Deutschland, aber auch international, beschäftigen. Vor allem ist beachtlich, dass die Klage der Einzelpersonen erfolglos blieb, die Klage der gleichen Personen, zusammengeschlossen als Verein, aber von Erfolg gekrönt war. Dabei spielen sicherlich auch praktische Erwägungen des Gerichtshofs eine Rolle. Es erleichtert natürlich die Arbeit, wenn man als Richter*in eine Klage von einem organisierten Verein bekommt, der über entsprechende Ressourcen verfügt und die entscheidenden faktischen und rechtlichen Argumente gut aufbereiten kann.

Also sozusagen erfreuliche Nachrichten für professionelle Klimakläger*innen.

Luisa: So könnte man es sehen. Es freut mich außerdem, dass der EGMR bei der Begründung der Opfereigenschaft des Vereins KlimaSeniorinnen explizit und umfänglich auf die Aarhus-Konvention Bezug genommen hat. Dabei handelt es sich um einen völkerrechtlichen Vertrag, der in seinem Kern Zugang zu Umweltinformation, effektive Öffentlichkeitsbeteiligung und Zugang zu Gericht in Umweltfragen gewährleistet. Fast alle Mitgliedstaaten der EMRK, im Kern ja auch ein völkerrechtlicher Vertrag, haben auch die Aarhus-Konvention ratifiziert. Dadurch fand also auch eine Stärkung dieser sogenannten Aarhus-Rechte statt und der EGMR hat die besonders hervorgehobene Rolle von zivilgesellschaftlichen Vereinigungen für den Umweltschutz insbesondere mit Blick auf einen möglichst weiten Zugang zu Gericht entscheidend gestärkt und in die Sphäre der menschenrechtlichen Auseinandersetzungen überführt. Dabei hat er auch klare Anforderungen formuliert, unter welchen Umständen eine solche menschenrechtliche Verbandsklage erhoben werden kann, die wiederum eng an die Voraussetzungen in der Aarhus-Konvention angelehnt sind.

Was sind das für Voraussetzungen?

Luisa: Die klagende Vereinigung muss im betreffenden Staatsgebiet erstmal rechtmäßig etabliert, zum Beispiel als Verein eingetragen sein. Dann muss sie die Verteidigung der Menschenrechte ihrer Mitglieder oder andere betroffenen Personen im betreffenden Staatsgebiet verfolgen und das auch als ihren offiziellen Zweck angeben. Außerdem muss sie nachweisen können, wirklich qualifiziert und repräsentativ zu sein, um im Namen ihrer Mitglieder oder anderer betroffener Personen zu handeln. Es ist dafür nicht notwendig, dass diese erwähnten Mitglieder oder anderen betroffenen Personen die individuelle Opfereigenschaft erfüllen müssen, die ich oben erklärt habe. Damit ist also der Zugang zum EGMR für Vereinigungen in Fragen vom Schutz der Menschenrechte im Angesicht der Klimakrise wesentlich niedrigschwelliger möglich als für individuelle Kläger*innen.

Siehst du Berührungspunkte zum Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)?

Luisa: In beiden Entscheidungen wurde anerkannt, dass Deutschland bzw. die Schweiz den Verpflichtungen nicht ausreichend nachkommt, effektive Maßnahmen zum Kampf gegen die Klimakrise zu ergreifen. Einen interessanten Unterschied finde ich aber, dass das BVerfG jedenfalls bisher keine Beschwerden von Vereinigungen zulässt. Die Verfassungsbeschwerde steht ausschließlich Einzelpersonen offen. Außerdem hat das BVerfG ja eine Verletzung von Freiheitsrechten in der Zukunft angenommen, wohingegen der EGMR von einer bereits im Hier und Jetzt stattfindenden Verletzung des Rechts auf Achtung des Privat- und Familienlebens ausgeht. Das BVerfG stützt seine Entscheidung auf eine Verknüpfung der allgemeinen Handlungsfreiheit mit dem Staatsziel des Umweltschutzes aus Art 20a GG, wogegen der EGMR auf das wesentlich konkrete Recht aus Art. 8 EMRK verweist. Es bleibt also spannend, wie diese sehr unterschiedlichen Argumentationsmuster der beiden Gerichte in Zukunft aufgegriffen und vielleicht auch zusammenspielen werden.

Christoph: Ja, das ist mir auch aufgefallen. Dem BVerfG wurden von den Klagenden zwar beide Wege angeboten, also auch der über die Verletzung einzelner, konkreter Rechte. Im Beschluss bezieht es sich dann aber auf den anderen Weg – die allgemeine Handlungsfreiheit und somit auf die Gesamtheit der Menschenrechte, die sämtliche menschliche Freiheitsbetätigungen ermöglichen. Diesen Unterschied gibt es übrigens auch im philosophischen Diskurs: Manche Autor*innen argumentieren mit sämtlichen Menschenrechten als Freiheitsrechten, die von den Folgen des Klimawandels betroffen sind. Ihnen zufolge schränken zum Beispiel Extremwetter-Phänomene auch die Versammlungsfreiheit ein. Andere fokussieren sich auf konkrete Menschenrechte wie das Recht auf Leben, Gesundheit und einen adäquaten Lebensstandard. Sie tun das unter anderem deshalb, um Menschenrechtsansprüche zukünftiger Generationen besser plausibilisieren zu können.

Könntest du „Menschenrechtsansprüche zukünftiger Generationen“ bitte genauer erklären?

Christoph: Menschenrechte werden dabei meistens interessenbasiert begründet. Das bedeutet nicht, dass aus jedem menschlichen Interesse oder Grundbedürfnis gleich ein Recht folgt. Sondern dieser Lesart zufolge verweisen Menschenrechte auf Ansprüche, die Pflichten generieren. Diese Pflichten richten sich vor allem an Staaten, schon deshalb, weil diese in der Regel die Menschenrechtsabkommen unterzeichnet haben. Weil man annehmen kann, dass auch künftig lebende Menschen beispielsweise Nahrung, Wohnraum und einen gewissen Gesundheitszustand brauchen, um frei und selbstbestimmt leben zu können, kann man einfacher für vorwirkende Pflichten ihnen gegenüber eintreten.

Welche Arten von Pflichten sind das dann?

Christoph: Üblicherweise spricht man im Menschenrechtsdiskurs da von drei Arten, wobei die miteinander verschränkt sind und nicht als klar getrennt voneinander verstanden werden sollten. Von staatlichen „Schutzpflichten“ hatte Luisa ja bereits gesprochen.. Schutzpflichten verpflichten insbesondere Staaten dazu, Leben und Gesundheit vor den Gefahren des Klimawandels zu schützen. Menschenrechtliche Pflichten sind zudem Achtungspflichten, das bedeutet zum Beispiel, dass die Freiheitschancen der einen Generationen nicht unverhältnismäßig größer sein dürfen als die einer anderen. Hier kann man neben dem Motiv der „Freiheit“ auch wieder das der „Gleichheit“ erkennen, denn Mitglieder verschiedener Generationen sollen als Gleiche (as equals) geachtet werden.  Und schließlich darf sich der Staat nicht nur auf eine passive Rolle zurückziehen, sondern muss – entsprechend der Gewährleistungspflichten – auch durch aktives Handeln die möglichst umfassende Ausübung der Menschenrechte ermöglichen. Es reicht beim Recht auf Gesundheit beispielsweise nicht, dass durch staatliches Handeln niemand verletzt wird, sondern es muss für eine Gesundheitsversorgung gesorgt werden, die für alle zugänglich, erschwinglich und qualitativ hochwertig ist. Das kann dann etwa orientiert an „Solidarität“ organisiert werden, um noch das dritte klassische Schlagwort der Menschenrechte zu verwenden, welches das etwas altbackene „Brüderlichkeit“ mittlerweile häufig ersetzt. Auch weil man diese wirkmächtige Trias aus „Freiheit“, „Gleichheit“ und „Solidarität“ mit in die Argumentation einbringen kann, eignen sich Menschenrechte gut für Plädoyers für mehr Klimaschutz – sei es in medialen Debatten, politischen Foren oder vor Gerichten.

Aber gerade aus juristischer Sicht sind die Grund- bzw. Menschenrechte ja nicht die einzige Option für Klimaklagen, oder?

Luisa: Das stimmt. Eine menschenrechtliche Argumentation liegt zwar nahe, wie Christoph erklärt hat, aber sie ist nicht der einzige Weg, wie juristisch versucht wird, für mehr Klimaschutz zu streiten. Unter anderem können auch Klagen vor den nationalen Verwaltungsgerichten sehr erfolgreich sein, wie etwa die jüngste Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 16. Mai 2024 nach einer Klage der Deutschen Umwelthilfe zeigt. Das Gericht entschied, dass die bestehenden Klimaschutzprogramme der Bundesregierung für die Jahre bis 2030 um konkrete Maßnahmen ergänzt werden müssen. Außerdem hat der Internationale Seegerichtshof in seinem am 21. Mai 2024 veröffentlichten Rechtsgutachten festgestellt, dass sich aus der UN-Seerechtskonvention (ein immerhin von 169 Staaten ratifizierter völkerrechtlicher Vertrag) eine Verpflichtung für Staaten ergibt, den Klimawandel zu bekämpfen. Im Laufe dieses und des nächsten Jahres werden noch zwei weitere Rechtsgutachten zu dieser Frage erwartet, eines vom Internationalen Gerichtshof und eines vom Interamerikanischen Gerichtshof für Menschenrechte. Es bleibt also spannend!

[1] Max Bauer, Klimaschutz – ein Menschenrecht, tagesschau, 09.04.2024