Mehr Schutz für Umweltschützer*innen – UN-Sonderberichterstatter besucht UfU

© Fridays for Future Deutschland

09. März 2023

Umweltschützer*innen brauchen besseren Schutz – UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützer diskutiert mit dem UfU und Aktivist*innen über die Lage für Umweltschützer*innen in Deutschland und der Welt

Umwelt- und Klimaschützer*innen polarisieren. Wer zu Klimaschutz forscht, auf die Straße geht, sich ehrenamtlich oder hauptamtlich engagiert, übt damit auch immer Kritik an unserem bisherigen System. Denn Klima- und Umweltschutz kommen nicht ohne Debatten um grundsätzliche Verhaltens- und Systemänderungen aus. Dabei sehen sich diese „Environmental Defenders“ einer zunehmenden Aggressivität ausgesetzt.

Hassreden, Diffamierungen, Gewalt, und Morddrohungen oder tatsächlicher Mord an Menschen, die sich für Natur und Umwelt einsetzen nehmen weltweit zu. Die NGO Global Witness berichtet in ihrem Report „Decade of defiance – Ten years of reporting land and environmental activism worldwide” von 200 Morden an Umweltaktivist*innen im Jahr 2021.[1] Die meisten wurden in Mexico, Kolumbien und Brasilien begannen.

Aber auch in Deutschland und Europa sehen sich Natur- und Umweltschützer*innen zunehmendem Druck ausgesetzt. Angefangen von offener Gewalt auf der Straße und härterem Vorgehen der Polizei gegen Umweltaktivist*innen, Vergleichen mit terroristischen Vereinigungen aus der Politik, über gezielte Diffamierungskampagnen gegen Wissenschaftler*innen[2] und Entzug der Gemeinnützigkeit – der Ton wird rauer und Zivilgesellschaft erfährt eine zunehmende Einschränkung ihres Raumes. Wer sich heute öffentlich für die Umwelt einsetzt, muss mit zahlreichen Attacken gegen die eigene Person und Familie in der Öffentlichkeit und im Netz rechnen. Weibliche Aktivistinnen, das zeigt der kürzlich gewonnene Prozess von Louisa Neubauer gegen Akif Pirinçci[3], erfahren zudem viel sexualisierten Hass, Erniedrigungen und Gewalt.

So polarisierend Proteste und Aktionen von Umweltaktivist*innen auch sein mögen, oft wird ignoriert, dass Umweltschützer*innen, sofern nicht anders belegt, im Rahmen ihrer Aktivitäten Grundrechte auf freie Forschung, freie Meinungsäußerung und Versammlung ausüben. Wer sich im Rahmen von Forschung oder Protestaktionen für Umwelt- und Naturschutz einsetzt, sollte keine Angst vor Hassreden, Diffamierung, Gewalt oder Mord haben müssen.

Dies sehen inzwischen auch die Vereinten Nationen, genauer gesagt die Wirtschaftskommission für Europa der Vereinten Nationen (UNECE) so. Die Vertragsstaaten der Aarhus-Konvention haben beschlossen, einen Sonderberichterstatter für „Environmental Defenders“ zu berufen, um die Situation zu analysieren und bedrohten Umweltschützer*innen in konkreten Fällen Hilfe zu leisten. Im Juli 2021 wurde Dr. Michel Forst, ehemaliger UN-Sonderberichterstatter zur Lage von Menschenrechtsverteidigern, ins Amt gewählt.

Auf seinem Antrittsbesuch in Deutschland als erster UN-Sonderberichterstatter für Umweltschützer, traf Dr. Forst am 07. März 2023 mit verschiedenen Umweltorganisationen und Aktivist*innen im UfU zusammen, um sich ein erstes Bild von der Lage in Deutschland machen zu können. Vertreter*innen der Letzten Generation, des NABU, BUND, Green Legal Impact und des UfU berichteten über zivilgesellschaftliches Engagement in Deutschland und die aktuelle Situation.

Herr Dr. Forst betonte, sich in seiner Mandatszeit darum zu bemühen, Umweltorganisationen und Menschenrechtsorganisationen besser untereinander zu vernetzen und eine Anlaufstelle für bedrohte Umweltschützer*innen zu bieten. Dies wird unter anderem dadurch ermöglicht, dass Menschen sich online direkt an den Sonderberichterstatter wenden können. Wenden sich Umweltschützer*innen mit konkreten Vorwürfen der Repression an das Mandat, werden diese Fälle untersucht und nach entsprechender Prüfung gegebenenfalls diplomatische Schritte in die Wege geleitet. Unter anderem mit Hilfe von öffentlich einsehbaren Berichten soll Druck auf Akteur*innen wie Unternehmen und Regierungen ausgeübt werden, die Rechte von Umweltschützer*innen zu wahren. Bei konkreter Gefahr für Leib und Leben der Umweltschützer kann das Mandat auch direkt in den Ländern intervenieren und Delegationen schicken.

Auch ziviler Ungehorsam wird in der zukünftigen Arbeit von Dr. Forst eine Rolle spielen. Das Mandat möchte die verschiedenen neuen Gruppierungen untersuchen, die mit zivilem Ungehorsam arbeiten und erfassen, welche rechtlichen Implikationen die Protestierenden in den verschiedenen Vertragsländern durch ihre Protestformen erwarten. Weitere Fokuspunkte von Dr. Forst werden in der Mitteilung der UNECE genannt: UN Special Rapporteur on Environmental Defenders presents his vision for mandate to ensure protection under the Aarhus Convention

Das UfU begrüßt die Einberufung von Dr. Forst sehr. Umweltschützer*innen müssen weltweit stärker geschützt werden. Auch wenn Deutschland und Europa mit seinen zahlreichen großen und einflussreichen Umweltverbänden nicht der Fokuspunkt des Sonderberichterstatters darstellen werden und mit Blick auf andere Krisenherde nicht sein sollten, beobachten wir auch bei uns eine zunehmende Einschränkung der Zivilgesellschaft. Ein Beispiel dafür ist der immer wiederkehrende Versuch, in neuen Beschleunigungsdebatten die Beteiligungsrechte von Bürger*innen zu beschneiden. Deutschland muss als gutes Beispiel für die Welt im Schutz von demokratischen Werten und Rechten vorangehen und alles dafür tun, dass Menschen ihr Recht auf Demonstration, Forschung, Berichterstattung und Protest wahrnehmen können, ohne Hass, Diffamierungen und Gewalt ausgesetzt zu sein.

Über die Aarhus Konvention

Die UNECE ist der Verwaltungssitz der sogenannten Aarhus-Konvention. Die Aarhus-Konvention wurde von 47 Vertragsparteien, unter anderem der Europäischen Union und allen Mitgliedsstaaten der EU, ratifiziert und ist der erste völkerrechtliche Vertrag, der jeder Person Rechte im Umweltschutz zuschreibt. Die drei Hauptsäulen der Aarhus-Konvention sind das Recht auf Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die Umwelt, das Recht auf Beteiligung in Umweltangelegenheiten und das Recht auf Zugang zu Gericht in Umweltangelegenheiten. Das Übereinkommen verpflichtet die Vertragsparteien außerdem, dafür zu sorgen, dass Personen nicht bestraft, verfolgt oder in irgendeiner Weise belästigt werden, weil sie ihre Rechte aus dem Übereinkommen wahrnehmen. Der neue Sonderberichterstatter soll dies in Zukunft kontrollieren und dafür sorgen, dass die Zivilgesellschaft diese Rechte ungehindert wahrnehmen können.

[1] Hine (2022), Decade of Defiance – Ten years of reporting environmental activism worldwide.

[2] Jung & Naiv (2023), Energie-Ökonomin Claudia Kemfert (DIW) über System-Change – Jung und Naiv: Folge 629

[3] Hoppenstedt (2020), Was über mich geschrieben wird, ist schon krass, Spiegel-Interview mit Louisa Neubauer

Bericht der UNCE über die Benennung von Dr. Forst:Hier kannst du dich an den Sonderberichterstatter wendenMehr Infos zur Aarhus Konvention

UfU Leitfaden zum Gewässerschutz an den ukrainischen Vize-Umweltminister übergeben

Foto von Tim Schubert

07. März 2023

UfU Leitfaden zum Gewässerschutz an den ukrainischen Vize-Umweltminister übergeben

Fragt man Forscher*innen, warum sie für eine Umwelt-NGO arbeiten, dann sind es wohl Momente wie diese, die dazu motivieren sich weiter jeden Tag für den Schutz von Umwelt und Natur einzusetzen.

Im Projekt „Kapazitätsbildung für das Wassermanagement auf lokaler Ebene in ausgewählten Regionen der Ukraine“ haben wir gemeinsam mit ukrainischen Organisationen vor Ort am Gewässerschutz von kleinen Donauzuflüssen gearbeitet. Denn die Ukraine möchte die Europäische Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) umsetzen, als Teil des gemeinsamen Assoziierungsabkommens. Das vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) und Umweltbundesamt (UBA) geförderte Projekt beinhaltete mehrere Phasen der Zusammenarbeit. Unter anderem wurde ein Leitfaden zur Bewirtschaftung kleiner Flussgebietseinheiten erstellt. Dabei geht es vor allem um die Renaturierung dieser Gewässer.

Mit Abschluss des Projekts, wurde dieses nun besonders gewürdigt. Prof. Dr. Dirk Messner, Präsident des Umweltbundesamtes übergab die Projektergebnisse am 28.02.2023 an Herrn Oleksandr Krasnolutskyi, Vize-Minister des ukrainischen Ministeriums für Umweltschutz und Natürliche Ressourcen. Es sind Momente wie diese, die uns zu unserer Arbeit motivieren. Das Wissen, dass unsere Arbeit nicht in irgendwelchen Schubladen landet, sondern tatsächlich von Entscheider*innen angenommen und beachtet wird.

Wir hoffen auf viele weitere spannende Projekte mit der Ukraine. Die Zusammenarbeit mit den Kolleg*innen in der Ukraine ist von großem gegenseitigen Respekt geprägt und für uns und unser Institut eine lehrreiche Erfahrung. Das wir trotz des Krieges unsere Projekte in der Ukraine weiterführen konnten, verdanken wir nicht zuletzt dem Einsatz unserer ukrainischen Partner*innen.

Mehr Infos über das ProjektZur Meldung des Umweltbundesamtes

Umgang mit Bodenkontamination in vietnamesischen Recyclingdörfern

06. März 2023

Bodenkontaminierung in Vietnam verbinden viele mit der Verunreinigung des Bodens durch die Nutzung des Entlaubungsmittels Agent Orange durch amerikanische Truppen im Vietnamkrieg. Dabei sind es neben diesem Sonderfall vor allem die Verunreinigungen durch sogenannte Recyclingdörfer, welche sich auf Mensch und Umwelt besonders schädlich auswirken. Die dort stattfindende Bearbeitung von Schrott zur Herstellung von Stahl führen oftmals zum Eintrag von Schwermetallen in Böden und (Grund-)Wasser. Und da Recyclingdörfer als Kontaminierungsquellen in Vietnam noch weit verbreitet sind, sind potenziell viele Menschen und große Flächen durch sie betroffen.

Expert*innen bei der Bodenanalyse im Recyclingdorf.

In der Provinz Bắc Ninh wurde das Dorf Châu Khê als Kontaminationsquelle identifiziert, von der ein hohes Risiko ausgeht. Das Projektteam von CapaViet3 war Anfang März vor Ort, um gemeinsam mit vietnamesischen Expert*innen weitere Messungen und Analysen vorzunehmen und mit lokalen Behörden Lösungen zum Schutz von Anwohner*innen, Arbeiter*innen und der Umwelt zu diskutieren.

Unterstützt wurde das Team von 25 Umweltanalyse-Expert*innen aus verschiedenen Provinzen in Vietnam, die sich zur gleichen Zeit von Prof. Dr. Tim Mansfeldt von der Universität zu Köln und dem Team des UfU in der Nutzung von Vor-Ort Analyse-Geräten zur Schwermetallerfassung in Böden haben schulen lassen:

Denn im Rahmen der von UfU durchgeführten Fortbildung haben die Expert*innen den um das Dorf abgelagerten Müll und Schlacken näher untersucht – und zwar direkt an der illegalen Müllablage und später im Labor. Dabei wurden neben schon bekannten Verunreinigungen vor allem auch eine hohe Konzentration an Blei identifiziert – ein insbesondere für Kinder sehr gesundheitsgefährdender Schadstoff.

Analyse der gefunden Stoffe in den Bodenproben.

Diese besorgniserregenden Befunde zeigen erneut, wie wichtig es ist, dass die zuständigen Behörden tragfähige und realisierbare Konzepte zur Sanierung und Sicherung des Standortes zu erarbeiten. Ein erster Schritt auf dem Weg hin zum Sanierungsplan für Châu Khê war deshalb der durch das CapaViet3 Projekt im gleichen Zeitraum durchgeführte Sanierungsworkshop, in dem Vertreter*innen von Umwelt-, Finanz- und Industriebehörden die genannten Probleme und Lösungsmöglichkeiten gemeinsam diskutierten. Der ersten Vorstellung möglicher Technologien zur Sanierung und Sicherung folgt nun die Priorisierung und Ausarbeitung passender Maßnahmen.

Die Ergebnisse der Workshops und vor allem die Methodik zur Erarbeitung eines passenden Sanierungsplanes wird auch anderen Provinzen in Vietnam zur Verfügung gestellt – damit auch diese die von den Recyclingdörfern ausgehenden Kontaminierungsrisiken managen und so die Gesundheit von Mensch und Umwelt schützen können.

Zum Projekt CapaViet3

UfU veröffentlicht Stellungnahme mit DNR zum Gesetzesentwurf für Verbandsklagen

03. März 2023

Stellungnahme zum Referentenentwurf des Bundesministeriums der Justiz „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG“ des Deutschen Naturschutzring (DNR) und des Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V.

Das Bundesministerium der Justiz veröffentlicht einen „Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie (EU) 2020/1828 über Verbandsklagen zum Schutz der Kollektivinteressen der Verbraucher und zur Aufhebung der Richtlinie 2009/22/EG“. Das UfU bezieht im aktuellen Papier zu diesem Entwurf Stellung.

Zusammenfassung:
Die Ausweitung der Verbandsklagerechte ist generell ein begrüßenswerter Schritt zur Stärkung der Verbraucherrechte vor Gericht. Der im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Verbandsklagerichtlinie verfolgte mandatsbezogene Ansatz für Abhilfeklagen verfehlt jedoch klar das Ziel der Richtlinie, ein effektives Verbandsklageverfahren für Abhilfeentscheidungen auf nationaler Ebene umzusetzen. Der Entwurf stellt zu hohe Zulässigkeitshürden auf. Der Anwendungsbereich der Abhilfeklage ist nicht hinreichend bestimmt und der Kreis der Klagebefugten zu eng gefasst. Die Anmeldung von Ansprüchen vor Erlass des Abhilfegrundurteiles mit einem Quorum von 50 Verbraucher*innen ist im Zusammenhang mit der nicht rechtssicher verankerten Prozessfinanzierung unzweckmäßig. Es ist daher mit massiven Hindernissen für Verbandsklagen zu rechnen. Der Referentenentwurf bleibt weit hinter den bestehenden Möglichkeiten zurück, den Zugang der Verbraucher*innen zum Recht zu verbessern und gleichzeitig die Gerichte deutlich zu entlasten.

Zur Stellungnahme (PDF)

Internationaler Tag des Artenschutzes – Ohne Artenvielfalt geht's nicht!

Foto von Liana Mikah auf Unsplash

03. März 2023

Internationaler Tag des Artenschutzes – Ohne Artenvielfalt geht’s nicht!

Wissenschaftler*innen gehen davon aus, dass es ca. 8,7 Millionen verschiedene Arten auf der Erde gibt. Die meisten dieser Arten haben wir bisher nicht entdeckt. Etwa 1,8 Millionen Arten sind von Wissenschaftler*innen bisher beschrieben worden. Ungefähr 330.000 sind Pflanzenarten, den größten Anteil machen ca. 1,4 Millionen Tierarten aus, 140.000 sind Pilzarten[1]. Das heißt, die meisten Arten und ihre potentiell wichtigen Rollen im Ökosystem der Erde sind uns nicht bekannt. Was uns jedoch bekannt ist: Von den geschätzten 8,7 Millionen Arten weltweit sind fast eine Million Arten vom Aussterben bedroht, viele davon bereits in naher Zukunft.[2] Hauptursache: Der Mensch. Aus diesem Grund ist Artenschutz eines der wichtigsten Themen unserer Zeit.

Was ist Artenvielfalt?

Der Begriff Artenvielfalt beschreibt die Summe der unterschiedlichen Pflanzen-, Tier- und Pilzarten, sowie Mikroorganismen innerhalb eines Lebensraumes. Die Welt beinhaltet verschiedene Ökosysteme die miteinander verbunden sind und sich gegenseitig beeinflussen. Beispiele für diese Ökosysteme sind die Meere, Wälder, Savannen, Steppen, Moorlandschaften, etc. Innerhalb der Ökosysteme nehmen die einzelnen Arten unterschiedliche Rollen ein und bilden einen empfindlichen Kreislauf. Die Arten dienen als Nahrungsquelle für andere Arten, produzieren Sauerstoff, reinigen Böden, Luft und Wasser oder erfüllen andere Funktionen, die wiederum andere Arten zum Überleben brauchen. Uns Menschen liefern die unterschiedlichen Arten unter anderem Nahrung, Arzneimittel, Rohstoffe und dienen als Kohlenstoffspeicher. Sterben Arten in einem Ökosystem aus, werden die Kreisläufe gestört und können bei zu großen Lücken sogar zusammenbrechen.

Einfluss Mensch

Der gesamte Wohlstand des Menschen ist auf den unterschiedlichen Arten und ihren Funktionen im Ökosystem aufgebaut. Ähnlich wie bei einem Kartenhaus übernehmen die Arten wichtige Funktionen, meist dienen sie uns als Ressource und tragen so zu unserem Überleben und unserer heutigen Zivilisation bei. Diese Nutzung der natürlichen Ressourcen durch den Menschen überschreitet jedoch schon lange jede Grenze; die Erde und ihre Ökosysteme können sich nicht in dem Maße erneuern, in welchem wir sie ausbeuten. Etwa 150 Arten sterben pro Tag aus, Tendenz steigend, was einen allgemeinen Rückgang der Artenvielfalt nach sich zieht. Die Zerstörung von Lebensräumen, die Übernutzung von Ressourcen, die Einschleppung invasiver nicht heimischer Arten, die Verschmutzung von Luft und Wasser und der Klimawandel sind dabei die wichtigsten Faktoren. Das Kartenhaus droht zusammenzubrechen.

Invasive Arten und ihre Bedeutung für die Artenvielfalt

Immer wieder kommt es vor, dass sogenannte gebietsfremde Arten in Ökosystemen anzutreffen sind, in welchen sie eigentlich nicht heimisch sind. Diese Arten werden Neobiota genannt. Ihr Eintreffen in einem Ökosystem klingt im ersten Moment wie eine Bereicherung der Artenvielfalt. In einigen Fällen mag dies auch zutreffen. Jedoch wirken sich viele nicht heimische Arten eher nachteilig auf ihre Umgebung und die Artenvielfalt aus, weshalb diese Arten als invasive Neobiota bezeichnet werden.

Die häufigste Ursache für das Auftreten von invasiven Arten ist jedoch das absichtliche oder versehentliche Einschleppen durch den Menschen. Damit überwinden invasive gebietsfremde Arten natürliche Barrieren. Die fremden Ökosysteme sind ihnen oft durch das Fehlen von natürlichen Feinden schutzlos ausgeliefert.  Das Auftreten von invasiven Arten in Ökosystemen wird zusätzlich in vielen Fällen durch den Klimawandel begünstigt. Sich verändernde Temperaturen verändern auch Ökosysteme und bieten damit gebietsfremden Arten eine Lebensgrundlage, die vorher nicht vorhanden war. Einmal in ein Ökosystem eingedrungen können die invasiven Arten als starke Konkurrenten oder Fressfeinde heimischer Arten auftreten. Sie können Parasiten und Krankheitserreger einschleppen, gegen welche sie selber immun sind, denen heimische Arten dem jedoch nichts entgegen zu setzen haben. Heimische Arten werden dadurch verdrängt oder ihr Bestand stark reduziert, was negative Auswirkungen auf die gesamte Nahrungskette und das Ökosystem haben kann. Fehlt z.B. an irgendeiner Stelle im Ökosystem ein Tier oder eine Pflanze als Futter in der Nahrungskette, wird somit auch die nächste Art gefährdet; es erfolgt eine Kettenreaktion.

Der Weltbiodiversitätsrat (IPBES) bezeichnet die „Invasion fremder Arten“ als eine von fünf „direkten Triebkräften“ des weltweiten Artensterbens.

Die europäische Sumpfschildkröte als die einzige Schildkrötenart, die in Mitteleuropa natürlicherweise noch vorkommt, steht kurz vor dem Aussterben. Fang und Handel als auch die Zerstörung ihrer Lebensräume verringert ihren Bestand stetig. Seit der Einschleppung des aus Nordamerika stammenden Waschbären in für ihn nicht heimische Regionen, frisst dieser zudem die Sumpfschildkröten weg. Kopf und Gliedmaßen kann er dabei mit seinen Krallen einfach aus den Öffnungen des Panzers herausziehen. Bei bis zu 80% der untersuchten Sumpfschildkröten werden Verletzungen dieser Art gefunden, welche vor dem Auftauchen der Waschbären nie beobachtet wurden (NABU).

Auch erhebliche wirtschaftliche Schäden lassen sich auf invasive Arten zurückführen. Die Mitte des 19. Jahrhunderts in Australien übersiedelten Kaninchen aus Europa haben sich in kürzester Zeit rasant vermehrt, zerstören die dort heimischen Pflanzen und verursachen dadurch seitdem jährlich bis zu 200 Millionen Dollar an landwirtschaftlichen Schäden.

UfU Fokus aus invasive Arten

Das UfU betreibt seit Jahren zahlreiche Projekte zum Thema invasive Arten, hauptsächlich in Sachsen-Anhalt, seit letztem Jahr aber auch in Berlin. Auf diesem Gebiet hat sich das UfU zum Spezialisten entwickelt und findet immer wieder neue Möglichkeiten, durch innovative Herangehensweisen, die Forschung weiterzubringen.

Für das Land Berlin entwickelt das UfU derzeit eine Strategie zur Bekämpfung invasiver Arten, welche die behördlichen Strukturen und Abläufe optimieren soll, damit schnell und effektiv gegen die Ausbreitung invasiver Arten vorgegangen werden kann. Im IGAMon-Dog (Invasive Gebietsfremde Arten Monitoring Dogs) – Projekt werden Haushunde in den Artenschutz mit einbezogen. Hundehalter*innen und ihre Vierbeiner werden zu Artenspürhundeteams ausgebildet. Durch ihre empfindliche Nase eignen sich Hunde hervorragend zum Erschnüffeln von Tier- und Pflanzenarten. Im Projekt lernen die Hunde anzuzeigen, wenn sie eine solche invasive Pflanzenart auf einem Spaziergang in ihrer Umgebung entdecken. Über die vom UfU entwickelte Webseite und App KORINA können die Funde der Hunde und auch alle anderen Entdeckungen von invasiven Pflanzenarten per Foto und Standortangaben übermittelt werden. Die Daten werden von Biolog*innen im UfU regelmäßig überprüft. Das Projekt und die App sollen in Zukunft auch auf invasive Tiere erweitert werden. Wunsch ist, über die Einbeziehung der Bürger*innen (Citizen Science) umfängliche Daten zu allen invasiven Arten in ganz Deutschland zu sammeln. Bürger*innen können so ihrerseits die wissenschaftlichen Untersuchungen unterstützen und ergänzen und somit einen wichtigen und großen Beitrag zum Artenschutz leisten.

Was kann die Privatperson gegen invasive Arten tun?

Es gibt einige Dinge, auf die man als Privatperson achten kann, um die Einschleppung oder Ausbreitung einer gebietsfremden invasiven Art zu verhindern:

  1. Informiert euch über invasive Arten auf den gängigen Webseiten[3]
  2. Haltet die Augen offen, wenn ihr in der Natur unterwegs seid. Nutzt euer Handy und die App KORINA[4] oder den Artenfinder der Stiftung Naturschutz[5], um invasive Pflanzen und Tiere zu melden.
  3. Habt ihr einen Garten oder ähnliches, pflanzt nur heimische Arten. Gärtnereien sollten euch hierbei weiterhelfen können.
  4. Bringt keine Pflanzen-(samen) oder Tiere aus dem Urlaub mit nach Hause
  5. Reinigt eure Sport- und Urlaubsausrüstung (z.B. Zelt, SUP-Board, Wanderschuhe) gründlich, bevor ihr diese wieder einsetzt.
  6. Werft Müll und Essensreste grundsätzlich nur in die dafür vorgesehenen Tonnen in der Stadt und Natur. Essensreste locken Tiere an. Vor allem Waschbären verbreiten sich dadurch immer schneller, auch im städtischen Raum.
  7. Füttert keine wilden Tiere oder nehmt diese auf. Informiert euch vorher, was erlaubt ist und was nicht.

[1] Bundesamt für Naturschutz (BfN)

[2] IPBES

[3] Korina, Senatsverwaltung , Stiftung Naturschutz-Invasive Arten Berlin-Broschüre , EU-Verordnung zu invasiven Arten

[4] APP KORINA

[5] APP Artenfinder


UfU fordert die Aussetzung der Räumung von Lützerath

© Tim Wagner, https://www.ti-wag.de/

12.01.2023

UfU fordert die Aussetzung der Räumung von Lützerath

Das Unabhängige Institut für Umweltfragen e.V. (UfU) mahnt die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen (NRW) und den Energiekonzern RWE an, die Räumung von Lützerath zu stoppen und neu zu verhandeln. Lützerath ist längst zum Symbol verfehlter Klimapolitik der letzten Jahre geworden.

„Um ein auf Deutschland heruntergerechnetes Treibhausgasbudget einzuhalten, welches einer Beschränkung der globalen Erhitzung auf maximal 1,5°C mit einer Einhaltungswahrscheinlichkeit von 50 % entspricht, dürfen aus den Tagebauen Hambach und Garzweiler II ab Januar 2021 noch maximal 200 Millionen Tonnen Braunkohle für die Kohleverstromung und -veredelung gefördert werden.“[1] So lautet der einleitende Satz einer Studie aus dem Jahr 2021 vom Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), der Technischen Universität Berlin (TU Berlin), der Europa-Universität Flensburg und des Zentrums für nachhaltige Energiesysteme Flensburg.

Längst ist die Lage um Lützerath diffus geworden und verschiedene Studien kämpfen um die Deutungshoheit über die geplante Erschließung von Lützerath. Klar ist: Das Vertrauen der Umweltbewegung in die Klimapolitik der Bundesregierung hat schon jetzt erheblichen Schaden genommen. Das Abbaggern von Dörfern für die Braunkohleförderung im Jahr 2023 steht symbolhaft für die Verfehlung der Klimaziele in Deutschland. Auch wenn die Landesregierung von RWE mit ihrer in Auftrag gegebenen Studie von NRW.Energy4Climate und BET[2] belegen möchte, dass die Braunkohle unter Lützerath für die Versorgungssicherheit benötigt wird, geht mit der Erschließung des Dorfes und der Räumung durch Hundertschaften der Polizei ein so erheblicher Schaden an der Klimapolitik der Bundesregierung einher, dass diese aktuell nicht fortgeführt werden sollte.

Neben einer Gegenstudie des DIW, TU Berlin und der Europa-Universität-Flensburg die belegt, dass die Braunkohle unter Lützerath für die Versorgungssicherheit nicht benötigt würde[3] und viel öffentlicher Kritik an der Studie von NRW.Energy4Climate und BET[4], wiegt vor allem der Vorwurf, die Landesregierung würde vorrangig Konzerninteressen von RWE vertreten schwer. Die Erschließung von Lützerath und der Kohlekompromiss mit der Bundesregierung sind für den Energiekonzern ein Milliardengeschäft.[5]

Als wissenschaftliches Institut, dass sich stets für die Energiewende und Beteiligung der Zivilgesellschaft an politischen Prozessen eingesetzt hat unterstützen wir den Aufruf der Scientists for Future Deutschland zum Moratorium für die Räumung[6] und fordern eine Neuevaluierung der Situation. Das Abbaggern von Lützerath kann nicht mehr ohne einen Gesichtsverlust der Landesregierung von NRW geschehen und fügt dem Vertrauen der jüngeren Generationen in die Politik der Landes- und Bundesregierung erheblichen Schaden zu. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen muss klar verständlich die absolute Notwendigkeit und den Mangel an Alternativen zur Erschließung von Lützerath aufzeigen, bevor die Räumung fortgesetzt wird.

Als Mitgliedsinstitut der Klima Allianz Deutschland schließen wir uns dem Aufruf zur Demonstration am 14. Januar 2023 an, um die Räumung von Lützerath zu verhindern.

Quellen:

[1] Castharina Rieve et al. 2021, Kein Grad weiter – Anpassungen der Tagebauplanung im Rheinischen Braunkohlerevier zur Einhaltung der 1,5-Grad-Grenze

[2] Kurzgutachten zur Ermittlung des Braunkohlebedarfs bei einem Kohleausstieg bis 2030 im rheinischen Revier, 2022

[3] Philipp Herpich et al., 2022, Gasknappheit: Auswirkungen auf die Auslastung der Braunkohlekraftwerke und den Erhalt von Lützerath

[4] Deutschlandfunk, 2023, Der Streit um die Kohle in Lützerath

[5] Catiana Krapp, Arno Schütze, 2022, RWE verdient kräftig am Weiterbetrieb von zwei Braunkohleblöcken, Handelsblatt

[6] Scientists for Future Deutschland, 2023, Offener Brief: Ein Moratorium für die Räumung von Lützerath

Die Stellungnahme als PDF

Klimaschutz- und Energieprojekt an Oranienburger Schulen zum Schuljahr 2022/23

16. Dezember 2022

Klimaschutz- und Energieprojekt an Oranienburger Schulen zum Schuljahr 2022/23 gestartet

Pünktlich zu Beginn der Heizperiode im Schuljahr 2022/23 startet das auf 3 Jahre angelegte Klimaschutz- und Energieprojekt an Oranienburger Schulen gleich an 9 teilnehmenden Einrichtungen.

Berlins großer nördlicher Nachbar setzt damit ein wichtiges Zeichen zur richtigen Zeit, um Schulen mit pädagogischen Aktivitäten und technischen Optimierungsmaßnahmen fit zu machen für einen langen Energiesparwinter. Außerdem haben die Schulen die Möglichkeit, durch Vermittlung von Wissen im Rahmen der Schüler*innen-Workshops, Hausmeister- und Lehrkräfteschulungen unmittelbar praktisches und alltagstaugliches Energiesparwissen zu erhalten und auf diesem Wege eine nachhaltigere Zukunft einzuleiten.

Auf Beschluss in der Stadtverordnetenversammlung im Jahr 2021 soll mit dem Projekt die gesamtgesellschaftliche Relevanz der Themen Klimaschutz und Energie besser in den schulinternen Abläufen und Lehrplänen verankert und darüber in die Bevölkerung getragen werden. Federführend für die Planung und Umsetzung ist das Klimaschutzmanagement der Stadt Oranienburg, welches die sektorübergreifende Klimaneutralitätsstrategie der Stadt in Abstimmung mit den beteiligten Ressorts koordiniert und umsetzt.

Das Schulprojekt ist Teil dieser Strategie, die neben Schulen und Kitas auch die Energieversorgung für Verwaltungsgebäude, Privathaushalte und Gewerbe sowie auch die Verkehrssituation und das Abfall- und Ressourcenmanagement in den Blick nimmt. Damit ist das Projekt ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur klimaneutralen Verwaltung und Stadtgesellschaft.

Neben der ursprünglichen Motivation aus den Schulen heraus, Nachhaltigkeitsthemen stärker in den Fokus zu rücken, soll auch ein Prämienmodell als Anreizsystem dienen.

Teilnehmende Einrichtungen:

  • Comenius Grundschule
  • Havelschule Grundschule
  • Waldschule Grundschule
  • Grundschule Friedrichsthal
  • Grundschule Germendorf
  • Grundschule „Friedrich-Wolf“ Lehnitz
  • Grundschule Sachsenhausen
  • Neddermeyer-Grundschule Schmachtenhagen
  • Jean-Clermont-Schule

Projektablauf

Bereits im abgelaufenen Schuljahr 2021/22 erfolgte die Abstimmung zwischen der Klimaschutzmanagerin der Stadt Oranienburg und dem UfU bzgl. Termin- und Ablaufplanung, Konkretisierung der Inhalte und Methoden sowie der teilnehmenden Schulen.

Zu Beginn des Schuljahres 2022/23 wurden dann alle Schulen über den Start des Projekts informiert, während gleichzeitig die Vorbereitungen liefen, sodass die tatsächlichen Auftakttermine, Energierundgänge und Schüler*innenworkshops pünktlich nach den Herbstferien beginnen konnten.

Ziele

  • Initiieren und Begleiten von Unterrichtsprojekten, die das Ziel haben das Energiebewusstsein von Schüler*innen, Kindern, Lehrkräften und Erzieher*innen, und Hausmeister*innen zu steigern
  • Initiieren von pädagogischen Projekten zum Thema Energie und Energie sparen an Kitas und in Horten
  • Die Notwendigkeit des Klimaschutzes verständlich machen
  • Aufzeigen von Energiesparpotenzialen
  • technische Energiespar-Optimierungen

Weitere Bestandteile sind

  • Technische Energieberatung vor Ort
  • Hausmeisterschulung
  • Lehrkräfteschulung
  • Feierliche Jahresveranstaltung

Kontakt
Oliver Ritter

Laufzeit
09/2022 – 08/2025


Energiespartipps für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte in Berlin

15. Dezember 2022

Download der Lehrmaterialien

Energiespartipps für Schülerinnen, Schüler und Lehrkräfte in Berlin

Berlin spart Energie! Die Berliner Schulen, Schüler*innen und Lehrkräfte sind dabei, um im Energiesparwinter 2022/23 ihren Beitrag zur Senkung der Erdgasverbrauch zu leisten. In Zusammenarbeit mit dem UfU hat die Berliner Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie wichtige Infomaterialien mit Energiespartipps entwickelt, um allen dabei zu helfen, gesund und energieeffizient durch den Herbst und Winter zu kommen.

„Wie heizen wir richtig im Klassenraum? Wie hilft das Lüften beim Energiesparen? Was können wir zusätzlich tun, um Energie zu sparen? Die Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie hat mit fachlicher Unterstützung des Unabhängigen Instituts für Umweltfragen drei digitale Publikationen erstellt, die kinder- und jugendgerechte Energiespartipps für die Schulen enthalten.“[1]

„Astrid-Sabine Busse, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie: „Wir geben unseren Schulen mit den drei digitalen Publikationen nun ganz praktische Tipps zum Energiesparen an die Hand – rechtzeitig zu Beginn der kalten Jahreszeit. Das geschieht zum einen, um möglichen Energieengpässen ausgelöst durch den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu begegnen. Zum anderen zeigen wir damit einmal mehr, wie wichtig uns die Themen Klimabildung und Nachhaltigkeit an Schulen sind.“[2]

Nicht erst durch den Russischen Angriffskrieg auf die Ukraine gibt es großen Handlungsbedarf, Gas und Energie einzusparen. Auch aufgrund der Klimakrise und den damit verbundenen Folgen ist es notwendig, dass Deutschland die Transformation zu einem klimaneutralen Land vorantreibt. Zur Abmilderung des Klimawandels und Verhinderung einer Klimakatastrophe haben sich deshalb im Rahmen des Pariser Klimaabkommens 150 Staaten darauf geeinigt, die Erderwärmung auf höchstens 2 °C,  möglichst sogar unter 1,5 °C zu beschränken.[3] Um seine internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, hat sich Deutschland mit dem verschärften Klimaschutzgesetz von 2021 dazu verpflichtet, stufenweise bis 2045 klimaneutral zu werden. So sollen z.B. bis zum Jahr 2030 die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 1990 um 65 % vermindert werden und der Bruttostromverbrauch zu 65 % aus erneuerbaren Energien stammen. Außerdem sollen bis spätestens zum Jahr 2038 die letzten Kohlekraftwerke vom Netz genommen und stillgelegt werden.

Bis dahin ist es allerdings noch ein weiter Weg. Aktuell bezieht Deutschland immer noch 83 % seiner Primärenergie aus fossilen Energiequellen.[4] Zwar wird seit 1990 weniger Stein- und Braunkohle verbraucht (Anteil zusammen bei 18 %), gleichzeitig steigt aber der Verbrauch von Gas auf einen Anteil von mittlerweile 27 % am Primärenergieverbrauch. Hierzu gehört vor allem Erdgas, das hauptsächlich für die Industrie sowie für die Wärme- und Stromerzeugung in Haushalten und Gewerbe genutzt wird.[5]

Der hohe Bedarf an Erdgas bringt Deutschland und seine Europäischen Nachbarn aufgrund seiner hohen Importabhängigkeit aus Russland und den kriegsbedingten Lieferausfällen in akute Bedrängnis. Langfristig müssen ökologische Alternativen zu Erdgas, wie z.B. Geothermie, Solarthermie, Windenergie und Wasserstoff gefunden werden und ihre Produktion ausgebaut werden. Kurzfristig ist aber schnelles Handeln der Deutschen und Europäischen Regierungen erforderlich, Erdgas statt aus Russland, künftig aus anderen Staaten zu beziehen sowie Erdgas generell einzusparen. Damit dies gelingt, müssen alle Sektoren in Deutschland ihren Energieverbrauch deutlich reduzieren. Auch Schulen als öffentliche Institution und aufgrund ihrer gesellschaftlichen Vorbildswirkung haben eine Verantwortung, ihren Beitrag zum Energiesparen zu erbringen.

Nach aktuellem Stand könnte die Sicherstellung der Gasversorgung in Berlin sowie in ganz Deutschland mit großen finanziellen Belastungen für die öffentlichen Kassen aber auch für die privaten Haushalte verbunden sein.[6] Je größer hingegen unsere Bemühungen zum Einsparen von Erdgas bei der Wärme- und Stromversorgung sind, desto eher können diese zusätzlichen Belastungen in Ihrer Höhe begrenzt werden.

In Deutschland verbrauchen 42.660 Schulen[7] etwa 50 TWh[8] Energie zum Heizen, für Warmwasser sowie für Strom für Beleuchtung und elektrische Geräte. Sie gehören damit zu den größten Verbrauchern der öffentlichen Hand. Im Durchschnitt verbraucht eine Schule bis zu 1.000.000 kWh Wärme und 100.000 kWh Strom.[9] Das entspricht nach aktuellen Preisen[10] Heizkosten von 60.000 EUR und Stromkosten von 23.000 EUR.[11] Auch im Hinblick auf Treibhausgasemissionen stellen Schulen eine relevante Größe dar. Zusammen erzeugen alle Deutschen Schulen schätzungsweise 12 Mio. Tonnen Kohlenstoffdioxid und andere Treibhausgase, was einem Anteil von 10 % aller Gebäudeemissionen entspricht. Schulen haben damit einen großen ökologischen Fußabdruck und müssen daher dringend und schnellstmöglich für die klimaneutrale Zukunft fit gemacht werden.

Die 939 Berliner Schulen[12] heizen größtenteils mit Erdgas oder Fernwärme. Die Fernwärme wiederum wird zu 73,9 % aus Erdgas erzeugt.[13] 5 von 9 Heizkraftwerken der Stadt nutzen Erdgas als Energieträger.[14] Daraus ergibt sich die dringende Notwendigkeit, die Energieverbräuche von Schulen zu senken.

Energie sparen lässt sich recht schnell und einfach mit einem Mix aus praktischen Maßnahmen und pädagogischem Unterricht zur Verhaltensänderung. Eine direkte Maßnahme, die in fast allen Schulen durchgeführt werden kann, ist das Anpassen der Heizungsanlage gemeinsam mit den Hausmeisterinnen und Hausmeistern. Die meisten Schulen sind auch heute im Jahr 2022 viel zu warm – im Schnitt 2-3 °C.[15] Dabei senkt jedes eingesparte Grad Celsius den Energieverbrauch um 6 %. Die Schülerinnen und Schüler können dabei auch selber die Energiesparmaßnahmen unterstützen. Beispielsweise können sie im Rahmen des Unterrichts oder in Energiesparworkshops verschiedene Messgeräte zur Durchführung von Energierundgängen nutzen, um Energieverschwendung zu identifizieren und Einsparpotentiale zu entdecken. Das Einsparpotential ist enorm. Dabei bedeutet Energiesparen keineswegs, dass von nun an im Kalten und Dunklen unterrichtet werden soll oder sämtliche Geräte wie Smartboards oder Computer nicht mehr verwendet werden dürfen. Im Gegenteil: Richtig gelüftete und beheizte Räume tragen zur besseren Lernatmosphäre bei und fördern die Gesundheit.

Abbildung: Endenergieverbrauch an Schulen – Berechnungen aus Fifty-Fifty-Energiesparprojekt

Auftraggeber: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Familie

Pressemitteilung SenBJF: https://www.berlin.de/sen/bjf/service/presse/pressearchiv-2022/pressemitteilung.1269911.php

Download-Bereich SenBJF: https://www.berlin.de/sen/bjf/aktuelles/energie-sparen/

[1] Quelle: Senatsverwaltung für Bildung, Jugend und Forschung, <https://www.berlin.de/sen/bjf/service/presse/pressearchiv-2022/pressemitteilung.1269911.php> , (Stand: 14.12.2022).

[2] Quelle: ebd.

[3] Quelle: <https://www.bmuv.de/themen/klimaschutz-anpassung/klimaschutz/internationale-klimapolitik/pariser-abkommen> (Stand: 28.09.2022).

[4] Angabe einschl. Kernenergie. Quelle: Umweltbundesamt Basis Arbeitsgemeinschaft Energiebilanzen (2022): Primärenergieverbrauch, <https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/primaerenergieverbrauch#primarenergieverbrauch-nach-energietragern> (Stand: 28.09.2022).

[5] Quelle: Umweltbundesamt (2022): Energieverbrauch nach Energieträgern und Sektoren, < https://www.umweltbundesamt.de/daten/energie/energieverbrauch-nach-energietraegern-sektoren#entwicklung-des-endenergieverbrauchs-nach-sektoren-und-energietragern> (Stand: 28.09.2022).

[6] Quelle:<https://www.tagesschau.de/wirtschaft/fernwaerme-gasumlage-gaspreise-muellheizkraftwerke-versorger-101.html> (Stand: 28.09.2022).

[7] Quelle: Statistisches Bundesamt.

[8] Quelle: Eigene Berechnungen auf Basis der Erfahrungen aus den fifty-fifty-Energiesparprojekten des UfU und ifeu Instituts.

[9] Quelle: Erfahrungen aus den fifty-fifty-Energiesparprojekten des UfU und ifeu Instituts.

[10] Beispieltarife kommunaler Liegenschaften vor Einsetzen der krisenbedingten Preissteigerungen.

[11] Quelle: Erfahrungen aus den fifty-fifty-Energiesparprojekten des UfU und ifeu Instituts.

[12] Quelle: <https://www.berlin.de/berlin-im-ueberblick/zahlen-und-fakten/> (Stand: 28.09.2022).

[13] Quelle: eigene Berechnung auf Basis von <https://group.vattenfall.com/de/energie/kraftwerke> (Stand: 28.09.2022).

[14] Quelle: <https://group.vattenfall.com/de/energie/kraftwerke> (Stand: 28.09.2022).

[15] Quelle: Erfahrungen aus den fifty-fifty-Energiesparprojekten des UfU.


There can be no climate justice without human rights

14. November 2022

“There can be no climate justice without human rights”

 

Vom 6. bis 18. November 2022 findet die diesjährige Weltklimakonferenz (COP 27) in Scharm El-Scheich, Ägypten statt. Mit Ecoaction, Censat Agua Viva und BUND/Friends of the Earth Germany sind auch Projektpartner und befreundete Organisationen des UfU vor Ort anwesend, um Entscheidungsträger*innen an die Notwendigkeit globaler Klimagerechtigkeit zu erinnern.

Die Klimakonferenz findet unter der Schirmherrschaft der ägyptischen Regierung statt. Diese hat in den letzten Jahren nicht nur immer wieder Klimaschutzstrategien vorgelegt, welche als „höchst unzureichend” zur Erreichung des globalen 1,5°C Ziels zu bewerten sind[1], sondern auch die Möglichkeiten zu politischen Teilhabe von zahlreichen zivilgesellschaftlicher Akteuren immer weiter eingeschränkt.

Dieses Thema tritt auch auf der COP 27 zutage: Vertreter*innen der klimabewegten Zivilgesellschaft in Scharm El-Scheich berichten von repressiven Maßnahmen gegen zivilgesellschaftliche Akteur*innen, einer permanenten, staatlichen Überwachung, von stark eingeschränkten Möglichkeiten, sich zu organisieren, einer massiven Einschränkung der Meinungsfreiheit und Verhaftungen von Aktivist*innen. Auch auf der Konferenz selbst sind Demonstrationsmöglichkeiten stark eingeschränkt und bestimmten Regeln unterworfen.

Diese Entwicklung ist hoch problematisch. Projekte wir unser ZIVIKLI-Projekt zeigen, dass Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen erfolgreicher sind, wenn sie an die Bedürfnisse der Menschen vor Ort angepasst sind. Kommuniziert werden diese Bedürfnisse vor allem durch Nichtregierungsorganisationen sowie soziale und ökologische Bewegungen. Sie sind ein wichtiges Bindeglied zwischen Entscheidungsträger*innen und der Bevölkerung. Sie tragen Forderungen verschiedenster Bevölkerungsgruppen in offizielle Entscheidungsgremien wie z.B. die Klimaverhandlungen hinein, und setzen sich für deren Berücksichtigung bei der Entwicklung und Durchführung von Maßnahmen ein. Damit trägt die klimabewegte Zivilgesellschaft als „Watchdog“ dazu bei, die Ambition von klimapolitischen Maßnahmen zu erhöhen und deren Umsetzung zu überprüfen.

All dies ist jedoch nur möglich, wenn zivilgesellschaftliche Organisationen in einem Umfeld arbeiten können, dass sie an der Ausübung dieser Tätigkeiten nicht behindert. Garantierte Menschenrechte und bürgerliche Freiheiten sind die Grundpfeiler für solch einen offenen zivilgesellschaftlichen Raum.

Im Kontext der Klimakrise und des eingeschränkten zivilgesellschaftlichen Raumes in Ägypten ist es wichtiger denn je, Stimmen aus der Zivilgesellschaft Gehör zu schenken. Das UfU möchte deshalb auf die Egyptian Human Rights Coalition on COP27 hinweisen, ein Zusammenschluss von zivilgesellschaftlichen Organisationen, welche auf die Notwendigkeit eines offenen und freien zivilgesellschaftlichen Raumes für die Erreichung von globaler Klimagerechtigkeit aufmerksam machen.

[1] https://climateactiontracker.org/countries/egypt/


UfU gibt Interview in MDR Wissen zum Götterbaum

08. November 2022

Der Götterbaum, mit fachspezifischem Namen Ailanthus altissima genannt, gehört zu einer von vielen invasiven Arten in Deutschland. Diese Arten sind gebietsfremd, das heißt sie wurden eingeschleppt und verdrängen die heimische Flora und Fauna. Damit sind invasive Arten eine große Gefahr für die Biodiversität. Werden, besonders in fragilen Ökosystemen, bestimmte Arten durch invasive Pflanzen verdrängt, kann dies zu Kettenreaktionen und zum Zusammenbruch ganzer Ökosysteme führen.

Unser wissenschaftliche Mitarbeitern Vivian Ryll hat im MDR Wissen ein Interview zum Götterbaum gegeben.

Ist der Götterbaum der Baum der Zukunft? - MDR Wissen

Allgemeine Informationen

Unionsliste der Verordnung (EU) 1143/2014 seit 25.7.2019,

Schwarze Liste (Managementliste) Sachsen-Anhalt Steckbrief

Verbreitungskarte (Atlas)

Lebensräume: Siedlungen, Straßenränder, Bahngleise, Brachen, Halbtrockenrasen, Felsen, Waldsäume, Uferwälder

problematische Vorkommen: Halbtrockenrasen, Waldsäume, Uferwälder, Felsen

Bestimmungshilfe pdf 1,3 MB

Steckbriefe/Factsheets: neobiota.deWikipediaCABI Invasive Species Compendium (engl.)Infoflora.ch, Österreichischer Wasser- und AbfallwirtschaftsverbandUmweltbundesamt

Der Götterbaum - Artenportrait

Das UfU beschäftigt sich seit Jahren mit der Ausbreitung von invasiven Arten in Deutschland. Hauptaugenmerk unserer Forschung ist dabei die die genaue Kartierung über die Ausbreitung dieser Arten. Außerdem entwirft das UfU Maßnahmenkataloge zur Bekämpfung von invasiven Neophyten und bildet Hunde und ihre Halter*innen zu Spürhundeteams aus.